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'Wigle van Aijtta van Zwichem en de Romeinsche bedelaar'. Fan histoaryske oerlevering nei moralistysk novellemearke. Eat oer de sêge yn Fryslân

Authors

  • J. van der Kooi

Abstract

Historische Sagen scheinen in der friesischen mündlichen Überlieferung selten zu sein. Dieser Eindruck braucht jedoch nicht zu stimmen. Bevor die systematische Sammlung von Volkserzählungen in Friesland einsetzte (etwa 1840), gab es, vornehmlich in erzieherischer und nationalistischer Perspektive, sehr wohl Interesse an dieser Sagenkategorie, ohne daß sich dies allerdings zahlenmäßig niedergeschlagen hatte. Nach 1840, als man in großem Umfang zu sammeln begann, war der mythologische Ansatz so vorherrschend, daß man sich für Sagen ohne übernatürliche Elemente kaum interessierte. Vor allem im 19. Jahrhundert erweckten dann Sammler und Publizisten durch die ideologisch bestimmten Auswahlkriterien sowie das Ver­schweigen der literarischen Herkunft vieler Texte den Eindruck einer oralen Kontinuität und Stabilität. Eine solche Vorstellung ist mit der Realität der damaligen mündlichen Überlieferung, die eher vor den Hintergrund eines lokalen als eines nationalen Geschichtsbildes zu sehen ist und überdies durchgehend Veränderungen unterlag, nicht in bereinstimmung zu bringen. Das Umgehen der Sammler und Publizisten mit dem Phänomen Sage im 19. und 20. Jahrhundert wird hier anhand von Überlieferungen um die Person des Viglius (Wigle van Aytta, 1507-1577) dargestellt, einem unter den Habsburgern dienenden hohen Beamten friesischer Herkunft, dessen Gestalt vor allem die friesische Elite inspirierte. Der tatsächliche Ablauf der mündlichen Überlieferung wird dann an der Analyse des Erzähltyps VdK 942* (Der dankbare Bettler) demonstriert, einem vermutlich jungen und möglicherweise in Friesland entstandenen Typ, der sich aus einer historischen Sage (mit u.a. Viglius als Protagonist) zu einem moralistischen Novellenmärchen entwickelte.

Published

1991-06-01

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